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traktionskontrolle

Donnerstag, 14. April 2005

traktionskontrolle

Haben Sie schon einmal versucht, mit einer Frau über Autos zu sprechen?
Wenn ja, sind Sie vermutlich selbst eine Frau und in dem Gespräch ging es um die Farbe des Lacks, um die Qualität der Sitzpolster oder die Größe des Kofferraums.
Wenn nein: herzlichen Glückwunsch! Vermutlich kennen Sie sich gut mit PS, KW, Hubraum und Drehmomenten aus und finden es indiskutabel, unter Verwendung solch archaischer Terminologie mit dem, für diese Dinge einfach nicht konstruierten weiblichen Gehirn in Kontakt zu treten.

Vielleicht ist Ihnen aber auch ähnliches passiert, wie mir:
Ich befand mich in einer großen deutschen Stadt und hatte ein Treffen mit einer mir noch weitgehend unbekannten, aber trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) sehr interessanten Frau verabredet. Da Frauen ja um so interessanter werden, je länger sie einen Mann auf ihr Erscheinen warten lassen, war ich schon den ganzen Tag damit beschäftigt, auf die Uhr zu schauen und mir ungeduldig wartend den Augenblick des Zusammentreffens schmachtend auszumalen.

Das jedenfalls werde ich ihr später berichten, weil sie sich womöglich nicht ausreichend begehrt fühlen könnte, wenn ich ihr erzählte, ich hätte den Tag in der Sonne auf einer Bank sitzend verbracht, im wesentlichen damit beschäftigt, verträumt den vorüberziehenden Passanten nachzublicken und die Seele baumeln zu lassen.
Als ich gerade in schönsten Träumen versank, piepte mein Mobiltelefon und sie bot mir per SMS an, sich früher als ursprünglich verabredet mit ihr zu treffen. Einzige Bedingung: ich müsse sie in eine Buchhandlung begleiten, in der sie Vokabeln zur Übersetzung eines englischsprachigen Fragebogens über Autotechnik nachzuschlagen habe.

Können Sie sich eine derart konfliktgeladene Situation vorstellen? Sie befinden sich im Herzen der Entspannung, haben die Aussicht auf eine überraschend frühe Begegnung mit einer vermeintlich wundervollen Frau, sollen diese Begegnung aber mit dem Preis bezahlen, sich mit ihr gemeinsam der KFZ-Technik zu widmen!
Mein Verstand riet mir selbstverständlich, mich erneut genüsslich zurückzulehnen und die Dame mit ihrem Problem allein zu lassen damit es nicht zu einem gemeinsamen würde.

Aber vielleicht kennen Sie es: Verstand und Trieb liefern sich ein kurzes inneres Gefecht, dessen ewiger Sieger Jahre vor dieser Schlacht festgelegt wurde. Also eilte ich zum verabredeten Treffpunkt.
Und da stand sie! Das heißt, wir gehen jetzt einmal davon aus, da hätte sie gestanden. In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass Frauen nie zur verabredeten Zeit am verabredeten Ort sind. Um Sie mit solchen Allgemeinplätzen aber nicht weiter zu belästigen, diese kleine Detailuntreue. Also: da stand sie! „Ja“, jubelte insgeheim bei ihrem Anblick, „ich wusste doch, dass eines Tages der Moment kommen würde, in dem es Sinn ergeben würde, Trieb vor Verstand zu stellen!“ und ich begrüßte sie mit einem warmen Lächeln.

Wie ginge es in einer Hollywood-Produktion nun weiter? Urplötzlich würde ein Wirbelsturm die Straße hinunterwehen, sie wäre mit selbigem verschwunden und nur ihr rechter Stiefel bliebe am Ort des Geschehens – was mich, verkörpert durch Russel Crowe, dazu triebe, bis ans Ende meines Lebens nach der Stelle zu suchen, an der die Besitzern des Schuhwerks aus den Armen des Wirbelwinds in meine stürzte!
Oder es wäre Liebe auf den ersten Blick und sie fiele mir ohne zu überlegen um den Hals. Wenige Tage später gäbe es eine große Hochzeit mit weißem Kleid und Hunderten Gästen am Swimmingpool unseres Landsitzes – bis unser langer Kuss durch den Abspann unterbrochen würde.

Wie immer sah die Realität ganz anders aus, denn es wartete ja der Grund des frühzeitigen Zusammentreffens.
In der dritten Etage der Buchhandlung, in der hintersten Ecke, stand drohend das Regal mit dem Wörterbüchern. Dunkle Geheimnisse der Sprachentwicklung waren dort verborgen und beim Blick über die Buchrücken fragte ich mich, wieso Menschen unbedingt Millionen von Begriffen übersetzen müssen, die sie nicht einmal in ihrer eigenen Sprache verstehen! Nicht nur Vokabeln aus dem Wirtschaftswesen werden dort von einer Landessprache in die andere transferiert, nein auch Wörter aus den Bereichen chemische Analytik, Schmiermittel und Tribologie! Ich fragte mich noch, ob letzteres mit dem Drang zur Fortpflanzung zu tun habe, während sie bereits zielsicher zum Wörterbuch „Fahrzeugtechnik – Englisch, Deutsch, Französisch“ griff, es auf ein Stehpult legte und den zu übersetzenden Fragebogen zur Hand nahm. Ich versuchte mich zu fangen und machte mir die Stärke meines Geschlechts bewusst – nämlich die arme hilflose weibliche Kreatur durch meine grenzenlose Weisheit und meine Omnipotenz durch das unwegsame Gelände unbekannter Wissenschaft zu führen. Dabei ist die weibliche Psyche aber nicht zu unterschätzen. Frau möchte zwar geführt werden, muss dabei aber trotzdem immer das Gefühl haben, sie bestimme die Richtung. Also verstellte ich mich und versuchte meine Erfahrungen mit modernen Autos und deren Sicherheitsaspekten nur soweit Preis zu geben, dass ihr geholfen war, sie sich aber nicht bevormundet fühlte.

Es war ein warmer Tag, aber hier bewegte ich mich auf dünnem Eis. Ich konnte nämlich durchaus versuchen, ihr zu versichern, dass „traction control“ auf deutsch einfach „Traktionskontrolle“ genannt wird. Schließlich hatte ich intensiv die Diskussion in der Formel-1 verfolgt, ob diese Form der elektronischen Fahrhilfe für Schumacher und Kollegen zugelassen werden sollte. Aber Frau will verstehen, was es mit dieser Technik auf sich hat. Frauen müssen ja immer alles verstehen und verstehen es eben nicht, warum das Leben so viel einfacher ist, wenn man, wie Mann es eben tut, irrelevante Dinge als Tatsachen hinnimmt, die nicht näher definiert oder hinterfragt werden müssen. Vielleicht hätte sie ja sogar noch begreifen können, dass durch eine einfache Traktionskontrolle beim Anfahren das Durchdrehen eines Rades durch Kraftverteilung auf andere verhindert wird, aber spätestens, als ich versuchte, ihr deutlich zu machen, die Weiterentwicklung „dstc“ sei eine Traktions- und Schleuderkontrolle, die durch Gier- und Lenkwinkelsensoren das schleudernde Auto durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder wieder einfängt, hörte erstens der Spaß auf, kam zweitens der Ladenschluss immer näher und wurde drittens mein Hunger auf Pasta und Romantik immer größer.

So verging die Zeit über Antischlupfregelung, Fahrerkabinenkopressionsschutz und Fahrverhaltenseinstellung. Ich fragte mich längst ob dieses alles eine Prüfung sei und war mir nun noch nicht sicher, ob der Prüfer die von mir begehrte Frau oder das Schicksal war. Schließlich kam aber letzteres mir doch noch zur Hilfe – in Gestalt einer netten Verkäuferin. „Entschuldigen Sie“, ließ sie mit freundlicher Stimme verlauten, „möchten Sie das Wörterbuch kaufen? Wir schließen in wenigen Minuten“. Ein Stein fiel mir vom Herzen als meine Begleiterin erwiderte: „Das Buch hat mir zu viele Wörter. Wir wollten ohnehin gerade gehen“ – und sie ließ sich tatsächlich zu einem, so hoffte ich, romantischen Dinner im Kerzenschein einladen.

An dieser Stelle verließen wir sowohl die Buchhandlung, als auch die gemeinsame Beschäftigung mit dem Thema Automobil und ich war zuversichtlich, dass der Fortgang des Abends harmonischer verliefe – bei Gesprächsthemen, mit denen beide Geschlechter in Ihrem Alltag zu tun haben, wie öffentliche Verkehrsmittel oder die Qualität der Aktionsangebote von Lebensmitteldiscountern.


Leider hatte ich einen Moment lang vergessen, dass Frauen und Männer nie die selbe Sprache sprechen und so wollte einfach keine Romantik aufkommen. Da fiel mir das gigantische Regal mit Wörterbüchern wieder ein. Hatte ich nicht einen kurzen Moment einen Langenscheidt-Titel „Deutsch-Frau, Frau-Deutsch“ wahrgenommen? Während ich aufsprang und zur Tür eilte, rief ich meiner Begleiterin gerade noch ein schnelles „Bin gleich wieder da“ zu und stürmte zum Buchladen.

„Geschlossen“ stand da in großen Lettern auf dem Schild hinter der Glastür und in mir stieg die Erkenntnis auf, dass ich Frauen niemals verstehen werde.



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