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Mittwoch, 18. Mai 2005

00 Wochen 03 Tage 21 Stunden 40 Minuten 36 Sekunden

Morgen geht's andlich los: 15.00 Uhr startet der Flieger von Hannover nach Wien.

Die letzten Wochen waren geprägt durch Stress im Job (verdammte Gesundheitsreform), Kümmern um's Feinsliebchen nebst Nachwuchs und die Marathon-Vorbereitung. Die Strecke von 42,159 Km und die selbstauferlegte Sachallmauer von 3:30 Std. flößen mir Respekt ein und machen mich schon jetz reichlich nervös (schließlich habe ich immer noch keine goldenen Schühchen am Fuß). Und dass der Countdown auf der Internetseite des Wien-Marathons nur noch 00 Wochen 03 Tage 21 Stunden 40 Minuten und 36 Sekunden zeigt, macht mich auch nicht gerade ruhiger!

Dafür freue ich mich umso mehr auf den Urlaub in der Donaumetropole und hoffe, dass die Meterologen sich nicht (wieder) als Meterolügner entpuppen, so dass das Wochenenende wie vorhergesagt, sonnig und warm wird.
Dann schmeckt nämlich nicht nur der Kaffee im Jelinik, sondern auch das Eis bei Zanoni besonders!
Falls jemand von den netten Wiener Bloggerinnen und Bloggern noch einen Tipp hat, was man in den kommenden 8 Tagen nicht verpassen sollte, bin ich für einen Hinweis in den Kommentaren dankbar.

Und wer mich am Sonntag anfeuern möchte, sollte auf die Startnummer 291 achten :-)

Freitag, 29. April 2005

zeit

Das Feinsliebchen meint, ich hätte ihr die Zeit gestohlen!
Nunja, ich würde eher sagen geliehen. Was soll man denn sonst auch machen, wenn man erkrankt darnieder liegt und sich langweilt? Endlich hat man mal Zeit für die Zeit. Und nur weil sie jetzt nicht gerade dort ist, wo sie hingehört, ist sie ja nicht weg. Schließich sind wir im Einstein-Jahr und wissen alle, dass die Zeit relativ ist. Zum Beispiel relativ schwer in einer Damenhandtasche zu verstauen!

Mittwoch, 27. April 2005

objekt der begierde

Ich habe ein neues Objekt der Begierde. Ja, das kam schon früher vor. Damals war es, je nachdem, ob ich gerade blond oder braun bevorzugte, Claudia Schiffer oder Ornella Muti. Doch mit Überschreitung des Lebenszenits lässt die Libido nach und der Körper sucht nach Ausgleich für die mangelnde Bewegung. Da verfällt so man(n)cher auf’s Laufen. Es kann ja kein Zufall sein, dass die Mehrzahl der Teilnehmer bei Marathonläufen um-die-vierzigjährige Y-Chromosomenträger sind. Und besuchte man früher verstohlen Sexshops, so bringen heute eher Sportakrtikelgeschäfte den Kreislauf in Schwung.

So auch gestern, als ich, eher zum cruisen, als zum gezielten Erwerb angebotener Ware, bei Sport-Scheck einkehrte. Am Eingang fiel mein Blick auf ein Display: ein Bildschirm, der durch seine Animation meinen Orientierungsreflex auf sich zog und davor ein Sportschuh, der offensichtlich so wertvoll war, dass man ihn an einem Stahlseil sichern musste. Ich schaute mir das gute Stück näher an, konnte aber nicht so recht ergründen, was jetzt das Besondere daran sein sollte. Da aber meine Neugier geweckt war, nahm ich den direkten Weg in die Fachabteilung und bemühte einen Verkäufer. Eigentlich sollte ich ihn eher Dealer nennen, denn er „fixte“ mich an: „Das ist der neue Adidas_1 Der hat er einen eingebauten Computer, der pro Sekunde 1000 Messungen durchführt und dabei registriert, ob die Dämpfung zu hart oder zu weich ist. Diese wird dann automatisch über ein Seilsystem angepasst“. Er holte eine Art Schlüssel aus einem Kasten, steckte ihn in ein Loch am Absatz und plötzlich begann eine Reihe von Leuchtdioden zu blinken. Gleichzeitig konnte man in einem kleinen Fenster in der Sohle des Schuhs sehen, wie sich winzige Zahnräder bewegten und Drähte hin und her geschoben wurden.

„Toll, Wahnsinn, haben wolln!“ dachte ich. Nicht, dass ich der Meinung war, ich könne durch diese Technik besser oder schneller laufen, aber es war eben Technik! Blinkende Punkte haben mich schon immer begeistert. Ich erinnere mich noch gut daran, als mich die ehemalige Frau zum Technikparadies schickte, um eine neue Waschmaschine zu erwerben. Ich kam mit derjenigen nach Hause, die die größte Anzahl leuchtender Knöpfe und Lämpchen aufwies. Anschließend saß ich eineinhalb Stunden vor der Maschine und schaute fasziniert den bunten Lichtern und der bunten Wäsche zu.
Ich glaube, Schuld daran ist „Raumschiff Enterprise“. Als kleiner Junge war die Serie für mich der Inbegriff von Zunkunftsvisionen. Und die Zukunft blinkte unentwegt an den Schaltpulten von Leutnant Uhura. Und nun also dieser Schuh. Computertechnik, Blinklichter – so einfach ist der in den 60ern sozialisierte Mann also heutzutage zu ködern.

Zwei Faktoren standen allerdings dem sofortigen Kauf entgegen: Neben dem horenden Preis gab es ein entscheidendes Problem: der Schuh ist potthässlich! Nicht nur der hohle Absatz, nein das Schlimmste ist die Farbe: weiß und gold. Ich vermute letzteres soll symbolisieren, dass der Träger des Schuhs ein Gewinner ist, ich finde es allerdings äußerst peinlich, auf diese Weise Aufmerksamkeit erregend um den Maschsee zu laufen. Es gibt zwar noch die Leinemasch, in der einem nur wenige Spaziergänger begegnen oder die Möglichkeit erst nach Einbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen, aber bei einer Investition von 250 Euro möchte man doch nicht dermaßen gehandicapt sei. Was mache ich nun? Ständig sehe ich die blinkenden Lichter vor mir und spüre das Gefühl, das erste Mal mit meinen Füßen in den jungfräulichen Schuh zu gleiten. Ich will das Ding haben, aber mein Über-Ich wehrt sich dagegen. Die einzige Möglichkeit, die ich daher sehe, ist ein Sponsoring. Liebe Frau oder Herr Adidas, wenn Ihr mir diesen Schuh schenkt, werde ich in diesem Blog ausschließlich gutes darüber berichten! Und wenn Ihr mir noch ein nettes Shirt mit euerm Firmennamen dazu gebt, laufe ich sogar für euch Werbung beim Vienna-Marathon, obwohl es mir peinlich ist! Also bitte, lasst mich nicht leiden!!!

Montag, 25. April 2005

no sex and the city

Es war Sonntagabend und ich saß, auf dem Rückweg von einem Date, im Intercity von Hamburg nach Hannover. Es war einer dieser Züge, die früher "Interregio" hießen, dann wurde außen ein roter, statt eines grünen Streifens auf die Wagons lackiert und der Fahrpreis angehoben. Die grünliche Neonbeleuchtung blieb die selbe. Wenn Sie einmal wissen möchten, wie es ist, unter Depressionen zu leiden, müssen Sie sich nur 2 Stunden dieser Atmosphäre hingeben.
Als Gegenmittel half da nur ein amüsantes Buch, dass das Singleleben einer Großstädterin beschreibt. Die Lektüre führte allerdings dazu, dass meine Mitreisenden ständig durch mein erfolglos unterdrücktes Lachen aus ihrer Depression hochschreckten. Was mich nach einiger Zeit, bei der Beschreibung der Gedanken, Gefühle und Interessen der Romanheldin zunehmend irritierte, war die Erkenntnis: "Die ist ja genau wie ich".

Verdammt !- ich will nicht, dass eine Frau so ist, wie ich! Das heißt eigentlich will ich nicht, dass ich so bin, wie eine Frau! Ich will männlich sein !!! Warum schaue ich lieber Liebesfilme oder Sissi als "Haudrauf Teil 1 bis 14" mit Sylvester Stallone?? Warum bin ich entsetzt, als ich nach meiner Heimkehr in den Spiegel schauend feststellen musste, dass an meiner Stirn ein riesiger Pickel prangte, den ich nicht einmal hätte retouchieren können, weil beim Packen mein grüner Chanelabdeckstift hinter dem Badezimmerschrank verschwunden ist?

Dann kam mir auch noch dieser dämliche Internet- psychotest in den Sinn. Da hatte ich vor ein paar Tagen diese Seite im Netz entdeckt und mich eine halbe Stunde durch Dutzende von Fragen geklickt, als mir die Balken der Auswertung wie Kanthölzer vor die Stirn schlugen. Zwei Wertungen stachen besonders hervor, die mir attestierten: Ihre weibliche Seite ist besonders ausgeprägt, ihr Verstand nicht!!

Kann man eigentlich einen Psychotest wegen Beleidigung verklagen ??? Also das mit der ‚weiblichen Seite’ war zwar nicht exakt das, was ich hören wollte, aber ich konnte es halbwegs nachvollziehen.

Aber meinen Verstand dermaßen unterzubewerten war eine absolut bodenlose Frechheit. Und woher wollte dieses System das überhaupt wissen?? Ich konnte mich beim besten Willen an keinen Günter Jauch erinnern, der die Frage stellte:
„Was sorgt in der Sauna für einen besonderen Hitzeschub?"A: Einlauf,
B:
Aufguss, C: Abreibung oder D: Aufriss“.

Da ich in der Sauna noch nie einen Aufriss hatte, Einläufe oft der Grund sind, warum meine Patienten nicht zur Therapie kommen, in unserem Krankenhaus aber keine Sauna existiert und ich mich noch gut an die Abreibungen meines Kinderfreundes Jens erinnern kann, die zwar durchaus mit Hitzeschüben verbunden waren, aber meist in freier Natur stattfanden, hätte ich zur Beantwortung einer solchen Frage nicht mal einen Freund anrufen müssen !!!

Trotzdem will die Frage nicht aus meinem Kopf: „Bin ich eine unterbelichtete Trutsche“??? Was ist schief gelaufen in meiner Sozialisation? Soll ich meinem Vater noch Jahre nach seinem Tod einen Vorwurf machen, weil er mich nie mit auf einen Fußballplatz genommen hat? Nein, ihn kann ich nun wirklich nicht dafür zur Verantwortung ziehen, musste ich doch als Jugendlicher meine Ferien häufig auf dem Bau verbringen, weil er, Mitinhaber einer kleinen Baufirma, einen Handlanger benötigte. Wo lernt man raue männliche Wirklichkeit besser kennen, als zwischen derben, Springerpresse lesenden, Bier trinkenden Bauarbeitern? Ich erinnere mich noch gut an eine Szene, es war an einem Mittwoch 1979, als die Bildzeitung über die Hausbesetzerszene berichtete und mich einer der Maurer anpflaumte: „Wenn Du in ein paar Jahren da oben auf dem Dach stehst, dann prügel ich Dich aber persönlich runter!“. Ich weiß nicht, ob das ein Schlüsselerlebnis für meine psychische Entwicklung war, zumindest beeinflusste es doch meine berufliche Laufbahn, weil mir klar wurde, dass das Handwerk zwar goldenen Boden, mir aber keine Perspektive bot.

Aber was sollen solche Gedanken überhaupt??? Immerhin habe ich trotz meiner proletarischen Herkunft ein halbwegs akzeptables Abitur und eine akademische Ausbildung hinter mich gebracht. Und männlich bin ich auch!
Der Beweis gleich beim Nachhausekommen: den Briefkasten geöffnet und das neue Bang&Olufsen- sowie das Hausbesitzer-Magazin herausgekramt. Das ist männliche Post !! Anschließend in die Küche gegangen, den Backofen angemacht und Käseschinken-Aufbackbaguettes vom Aldi reingeschoben. Das ist ein männliches Abendbrot!! Den Kühlschrank aufgemacht und ein „Warsteiner“ herausgeholt. Das ist ein männliches Getränk !! Den alten Schallplattenspieler und die Deep-Purple-Scheibe rausgekramt. Das ist männliche Musik !!

Smoke on the water, a fire in the sky.
Smoke on the water.
Bamm bamm bamm, bammdammdadamm…

Ich konnte mich gerade noch beherrschen, mit der Luftgitarre meine Lautsprecher-Boxen zu zertrümmern! Na also, geht doch!!

Bleibt die Frage, was bei dem Date mit der Hamburger Journalistin schief gelaufen ist?? Warum hat sie sich nicht auf mich gestürzt und mich mit ihren Fingernägeln zerfleischt, hat nicht darum gebettelt, ich möge sie in wilder Leidenschaft in die Abgründe sexueller Obsessionen führen?? Das ist es doch, was Frauen wollen, oder???

Ja ja, ich bin aber auch selbst schuld. Was erzähle ich so einen Blödsinn, wie „Ich hab ne Rolle Küchenpapier verheult, als Billy bei Ally McBeal an einem Hirntumor gestorben ist“ ? Das ist vielleicht etwas, was einen Mann in den Augen einer Frau sympathisch macht aber nichts was einen Mann in den Augen einer Frau männlich erscheinen lässt! Solche Männer wollen Frauen zu Freunden haben, aber sie träumen nicht von Sex mit ihnen!!
Genau !! Männer achten auch nicht auf Körpersprache !! Warum hab ich auf ein Zeichen ihrer körperlichen Zuneigung gewartet? Hätte ich ihr doch einfach meine Zunge in den Hals gesteckt ! – entweder sie hätte sich auf der Stelle übergeben – oder sie wäre mir in die Arme gesunken. Ich erinnere mich an keine Filmszene, in der ersteres passiert wäre, dafür habe ich schon duzende Male auf der Leinwand gesehen, wie Frauen in solchen Momenten die Kontrolle über ihre Beine und ihren Willen verloren!

Egal. Don’t look back in anger klingt aus den Lautsprechern wie eine Aufforderung vorwärts zu schauen. Ein neues Spiel ein neues Glück. Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage. Hmmmm – mir ist noch nie die Doppeldeutigkeit aufgefallen, die Paulchen Panter hier am Ende jeder Trickfilmfolge von sich gab! Aber wie recht er hat ! Da wurden uns kleinen Jungs schon Ende der Sechziger Durchhalteparolen tief ins Hirn gefräst und glücklicherweise können sie in Krisensituationen immer noch reaktiviert werden.

Ein Hoch auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen und all das, was es für uns getan hat. Dinge, die sich die reizüberflutete Generation der Neunziger und des neuen Jahrtausends nur noch mit dem Gefühl blanken Neids an langen Winterabenden vorm Kamin erzählen lassen kann. Catweazle, der uns fern jedes naturwissenschaftlichen Unterrichtsraums in die Geheimnisse des „Elektricktricks“ einführte, Lemmi und die Schmöker, die uns von der Glotze aus die Kinder- und Jugendliteratur nahe brachten oder Robbi Tobbi und das Fliwatüüt, die uns zeigten, wie spannend und gleichzeitig lehrreich Science-Fiction sein konnte, lange bevor es Computeraminationen gab !
Erfahrungen, die glücklich machen, weil wir sie erleben durften. Erinnerungen die bleiben, wie der Geschmack einer perfekten Lammkeule auf der Zunge, wie das Gefühl schweren roten Weins, der die Kehle herunterrinnt. Glück !!!

Damit kommen diese Gedanken und dieses unglaubliche Wochenende zum Schluss. Aber die Erinnerung bleibt. Die Erinnerung an wunderschöne Stunden in Hamburg, an eine für ihr Alter sehr attraktive Frau (Frauen sind ja im Gegensatz zu Männern immer nur „für ihr Alter“ schön), an durchklönte, durchtanzte, durchtrunkene Tage und Nächte !
Und egal ob männlich oder weiblich, hochbegabt oder minderbemittelt – am Ende zählt doch nur – die Liebe!

ppppppppppppppppp ........ hat mal jemand ein Cleanex ?????


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Mittwoch, 20. April 2005

wir sind papst

Falls irgendjemand gedacht hat, es gäbe bei der BLÖD-Zeitung eine Grenze der Blödheit, so sieht er sich heute (wieder einmal) eines Besseren belehrt. „Wir sind Papst“, ist alles, was dem SchmierenBoulevard-Blatt zur Wahl von Kardinal Ratzinger zum Oberhaupt der Katholischen Kirche einfällt und stellt damit eine bedeutende Entscheidung, die u.a. Millionen von Afrikanern und Afrikanerinnen, die sich auch künftig mit HIV infizieren werden, statt Kondome zu benutzen, auf die Stufe mit einem Fußballnationalspiel, das zwar durchaus unterhaltsam, aber eben nicht bedeutsam ist!

Statt weiterer Aufregung, lieber eine Empfehlung seriöser Journalistik:
Opus-Dei: Mächtige Sekte oder "wahre Kirche"?

Dienstag, 19. April 2005

gott

Nein, ich lese nicht regelmäßig die „Süddeutsche“. Nein, „Die Zeit“ liegt nur selten in meinem Wohnzimmer und wird noch seltener gelesen. Nein, ich gehöre nicht zur intellektuellen Polit-Elite des Landes oder zu denen, die sich ein wirklich qualifiziertes Urteil über jene erlauben können, die die Geschicke unseres Landes steuern. Gut, ich lese die „HAZ“ und höre NDR-Info. Ersteres versorgt mich aber hauptsächlich mit Informationen darüber, wann Ikea endlich eine Filiale in meiner Nähe eröffnet. Und die Berichte auf NDR-Info erreichen die Strecke vom Autoradio bis zu meiner Großhirnrinde nur mühsam, da ich morgens auf den Weg zur Arbeit noch und nach Feierabend schon wieder zu müde bin, um wirklich Wichtiges aufzunehmen.
Mein Halbwissen über die politischen und sozialen Zustände in der Welt befähigen mich aber immer noch ausreichend, mein tägliches Leben zu meistern und obendrein auch noch alle paar Jahre in der Wahlkabine das Kreuz an einer Stelle zu machen, an der es nicht allzu viel Schaden anrichtet. Doch seit gestern weiß ich, dass es trotzdem ein Fehler war, die überregionale Presse bisher weitgehend zu ignorieren.

Auf Empfehlung meiner geschätzten A. besuchte ich nämlich den Literarischen Salon in Hannover. Und dort sah ich Gott! Zumindest stellte der Moderator Joachim Otte die provokante Frage: „Ist der Zeit-Kolumnist Harald Martenstein Gott? Nachdem Martenstein einige seiner genial geschriebenen Kolumnen hervorragend vorgetragen hatte, fand ich die Frage nach der Heiligkeit seiner Person nicht mehr wirklich provokativ. Schließlich versteht man laut Wikipedia unter Gott „...allgemein ein (meist) unsterbliches, übernatürliches und mit großer Macht ausgestattetes Wesen ...“.

Zugegeben, wirklich unsterblich sah der leicht ergraute Mann auf der kleinen Bühne nicht aus, aber die Scheinwerfer gaben ihm schon etwas übernatürliches – und seine Worte hatten Macht, große Macht. Nicht nur, dass sie das Publikum zum Lachen brachten. Hinter dem vordergründigen Humor bemerkt man Martensteins feinsinnige Beobachtungsgabe menschlicher Schwächen und gesellschaftlicher Irrsinnigkeiten. Und der Zuhörer erkennt sich in vielem, manchmal erschrocken, wieder. Zum Beispiel, wenn Martenstein angesichts seiner zunehmenden Leibessfülle auf dem Laufband zusammenbricht und sich nach dem Körper zurücksehnt, den er als 25jähriger im Spiegel sah: „Die Muskeln spannten sich unter der pfirsichfarbenen Haut, wie bei einem edlen Windspiel. In den Locken woben Elfen ihre Netze.“

Am gestrigen Abend hatte Gott auch noch einen seiner irdischen Vertreter dabei: Juan Moreno, dessen Kolumne sich allsamstäglich in der Süddeutschen Zeitung lesen lässt. Juan Moreno erreicht nicht ganz die Göttlichkeit Martensteins, aber als Verkündiger seiner eigenen Worte macht er sich ebenso gut. Juan Moreno sieht dazu auch noch gut aus. Juan Moreno hat aber ein Problem: er mag das Internet nicht. Das liegt in erster Linie daran, dass das weltweite Netz Informationen Preis gibt, die seiner Ansicht nach lieber im Dunkeln verborgen bleiben sollten: „Baum“ war in seiner spanischen Familie das Wort für einen Baum, „Auto“ das für ein Auto und „Juan“ das Wort für einen männlichen Familiennachwuchs. Da das offensichtlich in vielen spanischen Familien der Fall war, und Mureno ein ebenso häufiger Nachname wie das deutsche „Braun“ ist, finden sich nicht nur in Morenos Stammbaum viele Juans, sondern weltweit eben auch eine Reihe anderer Juan Morenos. Das wäre im Prinzip nicht weiter schlimm. Vielleicht gibt es auch einen ganz einfachen Grund, warum der Schauspieler Jean Reno den Namen Juan Moreno ablegte, um berühmt zu werden. Aber vielleicht liegt es auch an der Namensgleichheit mit einem der meistgesuchten Sexualstraftäter Texas’!?.


Egal, wie man sie nennt: Martenstein, Moreno, Gott, Jesus oder Maria – es war ein äußerst unterhaltsamer Abend im Hannoverschen Conti-Gebäude. Und in meinem Wohnzimmer wird man nun sicher häufiger „Die Zeit“ oder die „SZ“ finden.

Nachtrag:
Kolumne "Von mir aus" von Juan Moreno über den Abend in Hannover in der
Süddeutschen Zeitung vom 23.5.2005 (pdf-Datei)

Freitag, 15. April 2005

ikea

Einen herzlichen Gruß an alle österreichische Ikea-Fans! Seit einigen Tagen läuft der Zähler auf diesem Blog heiß, da Ikea keine Internetseite betreibt, die auf einem österreichischen Server läuft. Wird bei Google.at nach „Ikea“ mit der Option „Seiten in Österreich“ gesucht, so erscheint null,nichts auf Platz 1 der Ergebnisse. Zwar bin ich im Norden Deutschlands zu Hause, aber twoday.net wohnt in Alpennähe. Und da mich ein Besuch bei Ikea in Großburgewedel kurz vor Ostern so begeisterte, dass ich einen Beitrag darüber schreiben musste, kommt es zu diesem, vermutlich nicht sehr hilfreichen(!?) Suchergebnis.
Also ein Tipp an all jene, die auch einmal mit Tanja ins Bett möchten: www.ikea.at – da wird Sie (vielleicht) geholfen!

Donnerstag, 14. April 2005

traktionskontrolle

Haben Sie schon einmal versucht, mit einer Frau über Autos zu sprechen?
Wenn ja, sind Sie vermutlich selbst eine Frau und in dem Gespräch ging es um die Farbe des Lacks, um die Qualität der Sitzpolster oder die Größe des Kofferraums.
Wenn nein: herzlichen Glückwunsch! Vermutlich kennen Sie sich gut mit PS, KW, Hubraum und Drehmomenten aus und finden es indiskutabel, unter Verwendung solch archaischer Terminologie mit dem, für diese Dinge einfach nicht konstruierten weiblichen Gehirn in Kontakt zu treten.

Vielleicht ist Ihnen aber auch ähnliches passiert, wie mir:
Ich befand mich in einer großen deutschen Stadt und hatte ein Treffen mit einer mir noch weitgehend unbekannten, aber trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) sehr interessanten Frau verabredet. Da Frauen ja um so interessanter werden, je länger sie einen Mann auf ihr Erscheinen warten lassen, war ich schon den ganzen Tag damit beschäftigt, auf die Uhr zu schauen und mir ungeduldig wartend den Augenblick des Zusammentreffens schmachtend auszumalen.

Das jedenfalls werde ich ihr später berichten, weil sie sich womöglich nicht ausreichend begehrt fühlen könnte, wenn ich ihr erzählte, ich hätte den Tag in der Sonne auf einer Bank sitzend verbracht, im wesentlichen damit beschäftigt, verträumt den vorüberziehenden Passanten nachzublicken und die Seele baumeln zu lassen.
Als ich gerade in schönsten Träumen versank, piepte mein Mobiltelefon und sie bot mir per SMS an, sich früher als ursprünglich verabredet mit ihr zu treffen. Einzige Bedingung: ich müsse sie in eine Buchhandlung begleiten, in der sie Vokabeln zur Übersetzung eines englischsprachigen Fragebogens über Autotechnik nachzuschlagen habe.

Können Sie sich eine derart konfliktgeladene Situation vorstellen? Sie befinden sich im Herzen der Entspannung, haben die Aussicht auf eine überraschend frühe Begegnung mit einer vermeintlich wundervollen Frau, sollen diese Begegnung aber mit dem Preis bezahlen, sich mit ihr gemeinsam der KFZ-Technik zu widmen!
Mein Verstand riet mir selbstverständlich, mich erneut genüsslich zurückzulehnen und die Dame mit ihrem Problem allein zu lassen damit es nicht zu einem gemeinsamen würde.

Aber vielleicht kennen Sie es: Verstand und Trieb liefern sich ein kurzes inneres Gefecht, dessen ewiger Sieger Jahre vor dieser Schlacht festgelegt wurde. Also eilte ich zum verabredeten Treffpunkt.
Und da stand sie! Das heißt, wir gehen jetzt einmal davon aus, da hätte sie gestanden. In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass Frauen nie zur verabredeten Zeit am verabredeten Ort sind. Um Sie mit solchen Allgemeinplätzen aber nicht weiter zu belästigen, diese kleine Detailuntreue. Also: da stand sie! „Ja“, jubelte insgeheim bei ihrem Anblick, „ich wusste doch, dass eines Tages der Moment kommen würde, in dem es Sinn ergeben würde, Trieb vor Verstand zu stellen!“ und ich begrüßte sie mit einem warmen Lächeln.

Wie ginge es in einer Hollywood-Produktion nun weiter? Urplötzlich würde ein Wirbelsturm die Straße hinunterwehen, sie wäre mit selbigem verschwunden und nur ihr rechter Stiefel bliebe am Ort des Geschehens – was mich, verkörpert durch Russel Crowe, dazu triebe, bis ans Ende meines Lebens nach der Stelle zu suchen, an der die Besitzern des Schuhwerks aus den Armen des Wirbelwinds in meine stürzte!
Oder es wäre Liebe auf den ersten Blick und sie fiele mir ohne zu überlegen um den Hals. Wenige Tage später gäbe es eine große Hochzeit mit weißem Kleid und Hunderten Gästen am Swimmingpool unseres Landsitzes – bis unser langer Kuss durch den Abspann unterbrochen würde.

Wie immer sah die Realität ganz anders aus, denn es wartete ja der Grund des frühzeitigen Zusammentreffens.
In der dritten Etage der Buchhandlung, in der hintersten Ecke, stand drohend das Regal mit dem Wörterbüchern. Dunkle Geheimnisse der Sprachentwicklung waren dort verborgen und beim Blick über die Buchrücken fragte ich mich, wieso Menschen unbedingt Millionen von Begriffen übersetzen müssen, die sie nicht einmal in ihrer eigenen Sprache verstehen! Nicht nur Vokabeln aus dem Wirtschaftswesen werden dort von einer Landessprache in die andere transferiert, nein auch Wörter aus den Bereichen chemische Analytik, Schmiermittel und Tribologie! Ich fragte mich noch, ob letzteres mit dem Drang zur Fortpflanzung zu tun habe, während sie bereits zielsicher zum Wörterbuch „Fahrzeugtechnik – Englisch, Deutsch, Französisch“ griff, es auf ein Stehpult legte und den zu übersetzenden Fragebogen zur Hand nahm. Ich versuchte mich zu fangen und machte mir die Stärke meines Geschlechts bewusst – nämlich die arme hilflose weibliche Kreatur durch meine grenzenlose Weisheit und meine Omnipotenz durch das unwegsame Gelände unbekannter Wissenschaft zu führen. Dabei ist die weibliche Psyche aber nicht zu unterschätzen. Frau möchte zwar geführt werden, muss dabei aber trotzdem immer das Gefühl haben, sie bestimme die Richtung. Also verstellte ich mich und versuchte meine Erfahrungen mit modernen Autos und deren Sicherheitsaspekten nur soweit Preis zu geben, dass ihr geholfen war, sie sich aber nicht bevormundet fühlte.

Es war ein warmer Tag, aber hier bewegte ich mich auf dünnem Eis. Ich konnte nämlich durchaus versuchen, ihr zu versichern, dass „traction control“ auf deutsch einfach „Traktionskontrolle“ genannt wird. Schließlich hatte ich intensiv die Diskussion in der Formel-1 verfolgt, ob diese Form der elektronischen Fahrhilfe für Schumacher und Kollegen zugelassen werden sollte. Aber Frau will verstehen, was es mit dieser Technik auf sich hat. Frauen müssen ja immer alles verstehen und verstehen es eben nicht, warum das Leben so viel einfacher ist, wenn man, wie Mann es eben tut, irrelevante Dinge als Tatsachen hinnimmt, die nicht näher definiert oder hinterfragt werden müssen. Vielleicht hätte sie ja sogar noch begreifen können, dass durch eine einfache Traktionskontrolle beim Anfahren das Durchdrehen eines Rades durch Kraftverteilung auf andere verhindert wird, aber spätestens, als ich versuchte, ihr deutlich zu machen, die Weiterentwicklung „dstc“ sei eine Traktions- und Schleuderkontrolle, die durch Gier- und Lenkwinkelsensoren das schleudernde Auto durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder wieder einfängt, hörte erstens der Spaß auf, kam zweitens der Ladenschluss immer näher und wurde drittens mein Hunger auf Pasta und Romantik immer größer.

So verging die Zeit über Antischlupfregelung, Fahrerkabinenkopressionsschutz und Fahrverhaltenseinstellung. Ich fragte mich längst ob dieses alles eine Prüfung sei und war mir nun noch nicht sicher, ob der Prüfer die von mir begehrte Frau oder das Schicksal war. Schließlich kam aber letzteres mir doch noch zur Hilfe – in Gestalt einer netten Verkäuferin. „Entschuldigen Sie“, ließ sie mit freundlicher Stimme verlauten, „möchten Sie das Wörterbuch kaufen? Wir schließen in wenigen Minuten“. Ein Stein fiel mir vom Herzen als meine Begleiterin erwiderte: „Das Buch hat mir zu viele Wörter. Wir wollten ohnehin gerade gehen“ – und sie ließ sich tatsächlich zu einem, so hoffte ich, romantischen Dinner im Kerzenschein einladen.

An dieser Stelle verließen wir sowohl die Buchhandlung, als auch die gemeinsame Beschäftigung mit dem Thema Automobil und ich war zuversichtlich, dass der Fortgang des Abends harmonischer verliefe – bei Gesprächsthemen, mit denen beide Geschlechter in Ihrem Alltag zu tun haben, wie öffentliche Verkehrsmittel oder die Qualität der Aktionsangebote von Lebensmitteldiscountern.


Leider hatte ich einen Moment lang vergessen, dass Frauen und Männer nie die selbe Sprache sprechen und so wollte einfach keine Romantik aufkommen. Da fiel mir das gigantische Regal mit Wörterbüchern wieder ein. Hatte ich nicht einen kurzen Moment einen Langenscheidt-Titel „Deutsch-Frau, Frau-Deutsch“ wahrgenommen? Während ich aufsprang und zur Tür eilte, rief ich meiner Begleiterin gerade noch ein schnelles „Bin gleich wieder da“ zu und stürmte zum Buchladen.

„Geschlossen“ stand da in großen Lettern auf dem Schild hinter der Glastür und in mir stieg die Erkenntnis auf, dass ich Frauen niemals verstehen werde.



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